Erster Bericht zum Bremer Landesaktionsplan
Fortschrittsbericht Landesaktionsplan Istanbul-Konvention zum Download
Die Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention hat dem Bremer Senat den ersten Bericht vorgelegt.
Der im März 2022 vom Senat beschlossene Landesaktionsplan „Frauen und Kinder vor Gewalt schützen“ wird jedes Jahr auf seinen Fortschritt geprüft. Dazu berichtet die Landeskoordinierungsstelle immer im Frühjahr.
Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts unterstreichen, wie dringend eine systematische Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure in der Strafverfolgung sowie im Hilfe- und Unterstützungssystem ist, um Frauen und Mädchen wirksam vor Gewalt zu schützen: Im Jahr 2021 verzeichnet Deutschland 127 Opfer von vollendetem Mord und Totschlag sowie Körperverletzung mit Todesfolge durch Partnerschaftsgewalt. Die Opfer sind zu 90 Prozent Frauen: 113 Frauen und 14 Männer starben durch Gewalt in der Partnerschaft.
Mit dem Landesaktionsplan setzt der Senat 75 konkrete, terminierte und teils finanzierte Maßnahmenziele entlang der Vorgaben der Istanbul-Konvention: Sie sollen Mädchen und Frauen im Land Bremen besser vor Gewalt schützen.
Viele Ressorts – eine Gesamtstrategie
In Bremen arbeiten viele Ressorts gemeinsam daran: Das Ressort für Kinder und Bildung leitet Maßnahmen vorrangig im Bereich Prävention. Die Ressorts Soziales, Jugend, Integration und Sport sowie für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz meist im Bereich Schutz und Unterstützung, das Ressort für Justiz und Verfassung im Bereich Strafverfolgung. Bremerhaven sowie die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) verantworten Projekte in allen Bereichen.
Damit setzt Bremen ein Beispiel für gelungene Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure entlang einer gemeinsam entwickelten Gesamtstrategie. Für die Koordinierung aller beteiligten Stellen ist die Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz zuständig. Sie verantwortet auch die zentralen Haushaltmittel für die Istanbul-Konvention von 550.000 Euro jährlich.
Bremen steht dafür, dass die Perspektive der Betroffenen im Mittelpunkt aller Maßnahmen des Gewaltschutzes stehen muss. Daher hat Bremen den bislang einzigen Betroffenenbeirat mit Fokus auf die Istanbul-Konvention eingerichtet. Der Betroffenenbeirat soll die Umsetzung und Fortschreibung des Landesaktionsplans kritisch begleiten.
Projekte der Ressorts im Überblick
Folgende Projekte haben die verschiedenen Stellen federführend in 2022 begonnen – hier sind nur wenige Schwerpunkte genannt, die meist über das Jahr 2023 hinauslaufen. Einen Überblick über alle in 2022 angeschobenen Maßnahmen gibt die Tabelle am Ende des Fortschrittsberichts.
Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz
- Prozess zur Qualitätsverbesserung der Frauenhäuser
- Vorbereitung der Einrichtung einer Gewaltschutzambulanz für von Gewalt betroffenen Menschen aller Altersstufen, Frauen, Männer, Trans*Personen, nichtbinäre Personen, Inter*Personen und Kinder zur Versorgung nach häuslicher Gewalt und/oder sexueller Gewalt
- Schaffung neuer Schutzangebote für wohnungslose, psychisch kranke, suchtmittelkonsumierende sowie sich prostituierende Frauen, die Gewalt erlebt haben
Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)
- Federführung bei der Vernetzung verschiedener Hilfesysteme
- Erstellung von Informationsmaterial über weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
- Verbesserung der Sprachmittlungsangebote
Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport
- Standardisiertes Gewaltschutzmonitoring in Einrichtungen für Geflüchtete
- Angebot eines Kurses zur Aufklärung und sexuellen Selbstbestimmung für FLINTA mit kognitiver Beeinträchtigung
- Schaffung eines Gewaltschutzkonzepts und Frauenbeauftragte in Wohneinrichtungen
Senatorin für Kinder und Bildung
- Unterstützung von Schulen bei der Erstellung schulspezifischer Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt
- Erstellung eines Ordners „Hilfen bei nicht-alltäglichen Situationen in Schule“ (Arbeitstitel) zur Eindämmung digitaler Gewalt
- Einrichtung einer Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler, die von Diskriminierung im digitalen Raum betroffen sind bei der Antidiskriminierungsberatung der ReBUZ
Senatorin für Justiz und Verfassung
- Leichtere und barriere-ärmere Beantragung von Prozesskostenhilfe, die vorrangig im Zivilprozess eine bedeutende Rolle spielt: Erstellung von Informationsmaterial zur psychosozialen Prozessbegleitung in analoger wie digitaler Form, sowie mehrsprachig und in Leichter Sprache
- Kostenübernahme für die Ausbildung der psychosozialen Prozessbegleitungen der Sozialen Dienste der Justiz durch die ZGF
Polizei Bremen und Ortspolizeibehörde Bremerhaven
- Implementierung von Verfahren zur Erkennung und Bearbeitung von Hochrisikofällen der häuslichen Gewalt
- Überarbeitung der Standards zum Gefährdungsmanagement bei der Polizei Bremen
- Inkraftsetzen der „Dienstanweisung zum Umgang mit Häuslicher Gewalt und dem Management von Hochrisikofällen“ in Bremerhaven
Ausfinanzierung des Landesaktionsplan gefordert
Im Jahr 2022 konnten viele Projekte aus den 75 Maßnahmen erst angeschoben werden. Wegen des nötigen Vorlaufs wurden Mittel erst Mitte des Jahres abgerufen. So entstanden Restmittel, die 2023 verwendet werden sollen.
Die meisten Projekte, die 2022 begonnen wurden, stehen in der Status-Ampel der Maßnahmentabelle auf Grün. Auch Gelb bedeutet, dass es zu Verzögerungen gekommen ist, das Erreichen des Maßnahmeziels aber nicht in Frage steht.
Im Ausblick auf die Jahre ab 2024 macht die Maßnahmentabelle deutlich, dass einige Bereiche im nächsten Haushalt Mittel benötigen werden, damit sie umgesetzt werden können. Dies betrifft Anschubfinanzierungen, die in den Regelbetrieb übergehen sollen, sowie einzelne Maßnahmen, für die der bereitgestellte Topf nicht ausreichend Mittel hält.